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Komm nach Hause

Bild commov.de * Artikel Komm nach HauseHallo ist da wer? Können Sie mir helfen? Hallo …
Diese Sätze hörte ich letzte Woche im Dunkeln als ich abends mit meinem Hund unterwegs war. Ich war bereits auf dem Heimweg und hatte nicht wirklich Lust auf diese mir bekannte Stimme zu antworten. Was tun?!

Ich haderte kurz mit meinem vermeintlichen Schicksal und lief wieder zurück und fragte pflichtbewusst nach „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Dieser Dialog gestaltete sich etwas schwierig, denn die Dame ist bereits über 90 Jahre, sehbehindert und schwerhörig. Was blieb mir also anderes übrig, als mit meinem Hund das Grundstück zu betreten und nachzufragen…

Wer sind sie?
Ich bin die Sabine!
Wer?
Die Sabine …

Nachdem ich näher trat, mich die Dame wohl erkannte und mich familiär zuordnen konnte, bat sie mich ins Haus. Ich stand nun in einem Haus, dass ich seit 32 Jahren kenne, nie betreten habe und mich die Hilflosigkeit der Dame irgendwie „beschämt“. Und dies alles nur, weil der Fernseher nicht ging.

Sie erklärte mir lautstark, dass sie nur die Nachrichten und das Gesundheitsmagazin sich im dritten Programm ansieht, aber jetzt nix mehr geht. Zwischendurch will sie dann immer noch meinen „Hunderl“ in die Wohnung holen, der draußen am Gartentor saß. Völlig „überrannt“ mit dieser Situation widmete ich mich der Fernbedienung und siehe da, durch ihre Sehbehinderung war einfach nur das Programm verstellt und das dritte Programm erschien lautstark auf der Bildfläche.

Aus lauter Dankbarkeit umarmte mich die Frau (sie ging mir nur bis zum Bauch und ich bin nur 167cm groß) und bedankte sich tausend Mal bei mir. Mit einem komischen Gefühl und meinem Hund ging ich in der Dunkelheit nach Hause. Dieses komische Gefühl setzte sich zusammen aus Betroffenheit, Beschämtheit und auch eine Angst – genauso wie die Dame – einsam im Alter in einem Haus zu enden.

Wir alle in der Nachbarschaft kennen diese Dame und ja, es ist und war nicht leicht mit ihr umzugehen, insbesondere wenn Altersstarrsinn hinzukommt. Vom Autofahren in dem Alter ganz zu schweigen … Und doch hat diese Situation, in der Dunkelheit einfach mal so um Hilfe zu rufen, etwas Groteskes.

Man kann nun den Menschen und seine Lebensgeschichte bewerten wie mal will, wichtiger ist die Frage … „Will man selber in so eine Situation kommen?!“ Ist es daher wirklich so wichtig materielle Reichtümer anzuhäufen, um dann einsam und verlassen in einem schönen Haus zu sitzen?

Letztendlich sind es die Erinnerungen und Erlebnisse, die wir im Kopf haben und weniger unsere Besitztümer. Was hilft uns ein schönes Haus, wenn wir es nicht mehr sehen können und wenig im Leben „erlebt“ haben? Sicherlich, ein Haus vermittelt materielle Sicherheit, doch sollte man rechtzeitig erkennen können, wann so ein Haus eine „Belastung“ darstellt und einen hilflos macht.

Wir reden immer wieder gerne von Heimat und einem zuhause … Doch das tragen wir alle in uns drin! Unser daheim ist folglich unser Körper und Geist, sprich unser ICH. Das kann man sich nicht kaufen, sondern muss man immer wieder selbst erleben …

Komm nach Hause!