Bild commov.de | Artikel Ticki-Tacka oder welchen Tick hast Du?

Welchen Tick hast Du?

Manche Momente und Situationen verwirren und beschäftigen mich stundenlang. Auslöser hierfür war gestern ein Besuch eines Bioladens, um mir Müsliriegel zu besorgen. Ich ging an der Kasse vorbei und dort stand eine Frau mit einem Rucksack, die ihre Einkäufe einpackte. An sich nichts ungewöhnliches, wenn da nicht dieser grüne leuchtende Button auf ihrem Rucksack gewesen wäre.

Was genau drauf stand konnte ich aus der Entfernung nicht lesen, aber das Wort „Asperger Syndrom“ fiel mir sofort ins Auge. Wenn ich ehrlich bin: „Ich war irritiert!“ Weniger das jemand „Asperger“ hat, sondern eher darüber, dass man sich damit öffentlich „outet“. Mich überkam ein ungutes Gefühl und ja es beschäftigt mich noch immer.

Benötigen wir als Gesellschaft einen Hinweis, dass wir einen Menschen „angemessen“ behandeln? Muss sich ein Mensch erklären, wieso er sich vermeintlich außer der Norm verhält? Sicherlich ist es für uns alle einfacher, wenn wir einschätzen können, wieso sich unser Gegenüber „anders“ verhält und möglicherweise nicht so reagiert, wie wir erwarten.

Doch mittlerweile sind wir in unserer Gesellschaft dermaßen mit Erwartungen überladen, so dass jeder Mensch freiwillig oder unfreiwillig in bestimmte Schubladen gesteckt wird. So manches Mal liegen wir richtig und benötigen auch diese Erwartungshaltung für eine eigene schnelle Reaktion, doch so manches Mal verschließt unsere „genormte“ Einschätzung neue Chance und Möglichkeiten.

Gerade im Sport sind über Jahre hinweg trainierte Abläufe und Strukturen elementar und als Basis enorm wichtig. Doch ab hier fängt die „Meisterschaft“ erst an! Wer eine Vielzahl an Bewegungs- und Denkmöglichkeiten kennengelernt hat, kann auf die sportlichen Anforderungen im Wettkampf situativ reagieren.

Wahlmöglichkeiten schaffen

Folglich wer nur eine Entscheidungsvariante kennt, kann auch nur eben diese anwenden, egal ob sie zur Situation passt oder nicht. Wer folglich mehrere Entscheidungsvarianten kennt, kann die jeweils Beste für sich aussuchen. Dies ist sicherlich nicht immer von Erfolg gekrönt, aber mehrere Wahlmöglichkeiten sind besser als nur keine oder nur eine.

Was hat das nun mit dem Asperger-Button zu?! Wir denken auch in unserem Sport häufig in „altbekannten Bahnen“ und lassen nur wenig Platz für Kreativität. Dazu gehört auch das Wissen der eigenen Rolle im Team. Egal ob Trainer, Sportler oder Funktionär, wenn jeder seine Aufgabe im Team hat und diese für sich selbst annimmt und von anderen akzeptiert wird, dann kann man gemeinsam Großes erreichen.

Kennst du deine Bedürfnisse

Doch dafür muss jeder erst einmal für sich selbst seine Bedürfnisse analysieren und dies ggf. mit seinem Umfeld kommunizieren. Passt es und fühle ich mich wohl? Wenn nicht, wie kann man es ändern und möglicherweise daraus seine Konsequenzen ziehen. Und jetzt wird es schwierig, denn jeder hat seinen Tick und somit seinen persönlichen Button.

Gerade im Sport können „Ticks“ bereichernd sein, weil sie häufig den geistigen Horizont erweitern und somit auch die Kreativität fördern. Jedoch wie viele Ticks erträgt eine Mannschaft und kann z.B. das Trainerteam angemessen darauf reagieren. Doch wie immer ist es eine Frage der Betrachtung! Als Zuschauer ist es mir egal, welchen Tick der Sportler hat, Hauptsache er bringt seine Leistung.

Aber einmal ehrlich … Wie reagieren wir auf solche Sportler, die einmal einen schlechten Tag haben und demzufolge ihre Leistung nicht abrufen können? Suchen wir hier nicht sofort nach Gründen und stempeln diesen Sportler mit seinem Tick ab?

Allzu schnell verurteilen wir den Sportler, ohne jegliches Hintergrundwissen zu haben und ja, selbst wenn wir das Wissen haben, so manches Mal ist es auch nicht einfacher, damit umzugehen.

Ich finde es mutig, sich zu seinem „Tick“ zu bekennen und doch bin ich hilflos und traurig, dass wir in unserer Welt „Buttons“ benötigen, um Menschen offen, höflich und angemessen zu behandeln.

Welchen Tick hast Du?!