Der Kampf mit dem Glaubenszwerg

Der Kampf mit dem Glaubenszwerg

Wer vorne spielt gewinnt knappe Spiele und wer hinten in der Tabelle steht verliert diese… Wir alle kennen diese Weisheiten, es werden klare Chance als möglicher Abstiegskandidat regelrecht „versemmelt“ und bei einem vorderen Tabellenplatz knappe Spiele mit „Dusel“ gewonnen. Denken wir an die berühmt berüchtigten Pokalspiele, in denen so genannte „Underdogs“ höherklassige Teams ärgern und manchmal sogar gewinnen, frei nach dem Motto: „Nur nicht verlieren!“

Bei Einzelsportlern ist der „ritualisierte Glaube“ noch stärker verankert. Da trägt man nur die „einen Socken“, isst immer nur Nudeln vor dem Wettkampf, schaut am Vorabend den Film „ROCKY“ an, benutzt nur bestimmte Unterwäsche, hat immer sein Maskottchen dabei und und und … Jeder kennt seinen persönlichen „Aberglauben“ vor dem Wettkampf. Jedoch von welchem Glaubenssatz wird der Sportler letztendlich im entscheidenden Moment beherrscht und entscheidet demzufolge über Sieg oder Niederlage? „Das schaffe ich nie!“ oder „Klar, das schaffe ich!“

Ein Glaubenssatz ist ein gedanklicher Stock, ein Geländer, an dem man sich festhält und nach dem man bewusst oder unbewusst handelt. „Beim letzten Wettkampf hat es doch funktioniert, also funktioniert es auch heute!“ Wer sich auf dieses „Gedankenspiel“ einlässt hat auf Dauer verloren, denn z.B. besondere Socken können die notwendige Taktikumstellung auf dem Spielfeld wenig beeinflussen, vielleicht kann ich damit schneller laufen, weil ich mich wohler fühle, mehr jedoch leider nicht. Oder kennt jemand Taktiksocken?

Viel wichtiger ist der Fokus auf die persönliche Gesamteinstellung und Gedankenabläufe vor und im Wettkampf. Häufig scheitern Sportler nicht an ihrer Technik oder Trainingsvorbereitung, sondern an ihrem eigenen Glauben, wie der Wettkampf verlaufen wird. Wer kennt nicht die Aussagen, „heute bin ich mit dem linken Fuß aufgestanden, die Halle war zu dunkel, das Publikum zu laut, die Schiedsrichter zu schlecht, usw. Wichtig ist die Bereitschaft sich bereits im Vorfeld des Wettkampfes mit den möglichen Szenarien auseinanderzusetzen. Wer sich auf „alle möglichen“ Eventualitäten mental vorbereitet, kann im Wettkampf souveräner und damit erfolgreicher umgehen.

Ein klassisches Beispiel sind zum Beispiel die alpinen Skiläufer. Jeder kennt die Bilder vor dem Start, in denen Skiläufer mit geschlossenen Augen die Strecke immer und immer wieder in Gedanken abfahren. Das nennt man mentales Training im Kopf! Wieso also nur Skiläufer? Handball-Torhüter können dies in Gedanken mit Wurfbildern von bestimmten gegnerischen Spielern machen, Golfer mit bestimmten schwierigen Abschlägen, selbst Marathonläufer können in Gedanken ihre Strecken „ablaufen“, um für sich eine Renntaktik zu trainieren.

Sicherlich beschäftigt sich jeder Sportler gedanklich mit seinem Wettkampf. Wieso scheitern dann so viele daran? Daher die Frage, welche Möglichkeiten hat der Sportler sich mental auf Wettkämpfe vorzubereiten und seinen persönlichen „Glaubenszwerg“ zu bezwingen, um den Überblick zu behalten und souverän in jeder Wettkampfsituation zu handeln? Was macht uns überhaupt souverän? Und wie bekommt man das hin? Sicherlich weniger mit Socken, Bärchen oder Ritualen, denn diese machen abhängig von äußerlichen Einflüssen. Ein „Sportler-Glaube“ kann Berge versetzen und demnach auch eigene Glaubenszwerge bezwingen!

Wichtige Punkte hierzu sind persönliche Werte, sportliche Stärken, Motivation gemixt mit einer Portion Selbstvertrauen. Diese Basis sollte schrittweise und individuell aufgebaut werden, d.h. sich immer wieder kleine erreichbare Ziele stecken:

  • Wie lautet mein positives Ziel?
  • Wie sieht es aus und wie fühlt es sich an, wenn ich gut vorbereitet und voller Selbstvertrauen bin?
  • Welche Fähigkeiten habe ich?
  • Was habe ich bereits positives erreicht?
  • Wo scheitere ich immer wieder?
  • Welche Gedanken kommen mir in solchen Momenten immer wieder?
  • Was fehlt mir und was brauche ich, um meine positiven Ziele zu erreichen?
  • Darf ich überhaupt gewinnen oder ergeben sich daraus (positive?) Konsequenzen, die ich nicht will, z.B. mehr Trainingsaufwand, notwendiger Wechsel des Vereins/Trainers, weniger Zeit für Familie, Freunde, Hund?
  • Wie gehe ich mit Siegen und mit Niederlagen um?
  • Wie bewerte ich diese?
  • Sind die Ursachen abhängig von mir selbst oder suche ich die Gründe – positiv wie negativ – in meinem Umfeld?
  • Wie belohne ich mich für erreichte Ziele?

Jeder Sportler hat im Laufe seiner „Karriere“ für sich eine Strategie entwickelt, um Wettkämpfe zu bestreiten. Wenn man Talent, Ehrgeiz und den Mut hat sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, so ist man auf einem sehr guten Weg, ein erfolgreicher Sportler zu werden oder bereits zu sein.

Wichtig jedoch hierfür ist, sich selbst immer wieder distanziert zu betrachten, ob die Art und Weise mit seinen eigenen Glaubensätzen umzugehen, wirklich sinnvoll ist. Häufig kann eine kleine Äußerung eines „Außenstehenden“ (Eltern, Trainer, Freundeskreis, Mitspieler) Berge versetzen oder den Glaubenszwerg „unbewusst aktivieren“. Das Interessante daran ist, dass man selber die Ursache seines mehr oder weniger erfolgreichen Tuns schlecht einschätzen kann und häufig reicht schon ein „bewusster“ Umgang mit dem negativen Glaubenssatz um seine Strategie in seinem Sport positiv zu verändern.

  • „Ich schlage immer schlecht am ersten Abschlag!“
    -> Wie oft ist dies passiert? Einmal, zweimal, dreimal… Ist es denn mittlerweile eine selbst erfüllende Prophezeiung?
  • „Gegen diese Mannschaft haben wir die letzten Jahre nie gewonnen!“
    (z.B. Fußballmannschaft Leverkusen in Bielefeld – 9 Jahre lang)
    -> Spielt die Mannschaft um zu gewinnen oder um nicht zu verlieren?!
  • „Meine Mannschaft die Auswärts-Schlaffis!“
    -> Sind wir wirklich so schlecht oder haben alle schon aufgegeben, inkl. Trainer?
  • „Ich bin einfach nicht gut genug!
    -> Ist es wirklich so oder nur die Einstellung dazu? Wer sagt das? (Du, deine Eltern, der Nachbar…)
  • „Bei den Schiris kann man nicht gewinnen!“
    -> Liegt es an den Schiedsrichtern oder daran, dass man sich mehr damit befasst, als sich auf den Wettkampf zu konzentrieren?

Und natürlich viele, viele andere Beispiele…
Welcher Glaubenszwerg sitzt in deinem Kopf und klopft an deinem Hirn?

PS: Überarbeiteter Revival-Artikel vom 14.02.2010 als Wiederholung und zur Erinnerung 🙂